Stellungnahme des Jugendamtselternbeirates der Stadt Dormagen

zu den Infektionsschutzmaßnahmen im Bereich der Kindertagesbetreuung anlässlich des Tages der Kinderbetreuung am 11.05.2020 und der 36. Sitzung des Hauptausschusses des Rates der Stadt Dormagen am 12.05.2020.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitglieder der Fraktionen des Stadtrates, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger von Dormagen,

zunächst möchten wir klarstellen, dass wir es für grundsätzlich richtig halten, dass zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Maßnahmen getroffen wurden, die zum Teil auch drastische Einschränkungen der persönlichen Freiheiten beinhaltet haben. Die im Folgenden geübte Kritik bezieht sich also nicht darauf, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie getroffen wurden, sondern auf deren Ausrichtung bzw. Umsetzung oder das Fehlen von flankierenden Maßnahmen als Ausgleich der Beschränkungen.

Heute am 15.Mai 2020 ist der Tag der Kinderbetreuung. An diesem Aktionstag bedanken sich Eltern seit einigen Jahren bei Kitafachkräften und Tageseltern für ihre Arbeit. Aber in diesem Jahr ist einiges anders; seit fast genau 2 Monaten ist für viele Eltern nämlich so gut wie alles anders.  Am Freitag, den 13. März, wurde den Eltern von Kindern, die eine Kindertageseinrichtung oder die Kindertagespflege besuchen, mitgeteilt, dass sie wenige Tage später die Betreuung und Bildung ihrer Kinder selber übernehmen müssen. Eine Aufgabe, die zuvor je nach Lebens- und Familienmodell zwischen Eltern, weiteren Familienangehörigen wie z. B. Großeltern und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung unterschiedlich aufgeteilt war. Der gegenwärtig kursierende Stufenplan der Landesregierung macht deutlich, dass für einen wesentlichen Teil der Familien mit kleinen Kindern auch in den nächsten 3 Monaten keine großartigen Änderungen zu erwarten sind. Unterstützende Maßnahmen für Familien gab es sowohl von Politik und Verwaltung als auch von den Trägern der Einrichtungen, wie von Seiten der Einrichtungen selbst von  Anfang an nur vereinzelt. Umfang des Kontaktes zwischen Kindertageseinrichtungen und Familien, bzw. ob es einen solchen überhaupt gibt, hängt nach wie vor vom Engagement einzelner Mitarbeiter*innen der Kindertageseinrichtungen ab.

Viele der ursprünglich getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung der Corona-Pandemie wurden inzwischen gelockert bzw. wieder aufgehoben. Ob diese Lockerungen bzw. ihr Umfang zum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnvoll sind, können wir nicht beurteilen. Betrachtet man jedoch die  Lockerungen der Maßnahmen genauer, so zeichnet sich ein deutliches Bild ab, welche Belange bei der Entscheidung über selbige, eine Rolle gespielt haben. Und es wird deutlich: Die Belange von Kindern und Familien, die von Anfang an durch die Maßnahmen in besonderem Maße betroffen waren, spielen offensichtlich eine untergeordnete Rolle. Frühe Bildung für Kinder und die Notwendigkeit sozialer Kontakte zu Gleichaltrigen, Therapien und Fördermöglichkeiten sind offensichtlich weniger relevant als die Möglichkeit, Küchen oder Autos zu kaufen oder sich die Haare schneiden zu lassen. Damit wollen wir nicht die wirtschaftliche Not von Teilen des Einzelhandels oder des Handwerkes herabwürdigen. Aber selbst wenn man ausschließlich wirtschaftliche Maßstäbe heranziehen würde: Ohne eine gesicherte Kinderbetreuung fehlt es der Wirtschaft massiv an Arbeitskräften. Die beschlossenen Lockerungen hingegen verschärfen jetzt sogar die Not einiger Eltern, denn mit dem Wiederanlaufen der Wirtschaft steigen die beruflichen Anforderungen. Gleichzeitig müssen jedoch die Kinder weiter zu Hause betreut werden. Die Geduld vieler Arbeitgeber mit den Mitarbeitern*innen, die ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, neigt sich dem Ende entgegen. Die Kraft vieler Eltern, die wie alle anderen auch Ängste und Unsicherheiten ausgesetzt sind, gleichzeitig dies bei ihren Kindern abmildern müssen, Verpflichtungen gegenüber ihren Arbeitgebern erfüllen müssen, aber ihre Kinder auch nicht vernachlässigen wollen, ist ebenfalls am Ende. Ganz zu schweigen von den Familien mit Kindern, die besondere Förderung oder Therapie bedürfen, diese aber seit Wochen nicht oder nicht im gewohnten Rahmen erhalten.

Abstandhalten, Schutzmasken oder Plexiglasscheiben sind in der Kinderbetreuung schwer möglich, das erkennen wir an. Darüber, dass bei dieser speziellen Pandemie Kinder oder Einrichtungen der Kinderbetreuung eine besondere Rolle bei der Ausbreitung gespielt haben, ist bisher jedoch kein wissenschaftlicher Nachweis erbracht worden. Hinzu kommt, dass im Bereich der Kinderbetreuung Infektionsketten relativ gut nachvollzogen werden können. Im Gegensatz zu vielen Bereichen, für die bereits umfangreiche Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen beschlossen wurden. Damit stellt sich die Frage: Wenn Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen möglich sind, warum ist dann nicht auch im Bereich der Kinderbetreuung eine ehrliche Entlastung der Familien möglich? Und nein, der „Fahrplan“ der Landesregierung bedeutet für die meisten Familien auf längere Zeit eben noch keine ernsthafte Entlastung.

Wir sind uns bewusst, dass in der kommunalen Politik nicht über die Infektionsschutzmaßnahmen des Landes entschieden wird. Aber wir wissen auch, dass Sie zum Teil sehr gut mit der Landespolitik verzahnt sind und dort entsprechenden Einfluss nehmen können. Darüber hinaus erwarten wir vom Hauptausschuss des Rates der Stadt Dormagen, dass dieser die außergewöhnliche Belastung von Familien in dieser Pandemie anerkennt und entsprechend seiner Möglichkeiten möglichst weitgehende Beschlüsse zur Entlastung von Familien beschließt. Unterstützen Sie uns! Setzen Sie ein Zeichen für eine kinder- und familienfreundliche Politik. Mit den Tagesordnungspunkten 5.12 (9/2335) und 5.13 (9/2352) soll in der Sitzung des Hauptausschusses beschlossen werden, die Aussetzung der Elternbeiträge für April rückwirkend zu genehmigen und für Mai und gegebenenfalls Juni zu beschließen. Die Aussetzung der Elternbeiträge halten wir für absolut gerechtfertigt. Wir empfehlen darüber hinaus schon jetzt auch die Aussetzung der Elternbeiträge für Juli und August zu beschließen, sofern bis dahin kein Regelbetrieb in den Kinderbetreuungseinrichtungen stattfindet. Wovon leider auszugehen ist, denn der aktuelle Stufenplan der Landesregierung sieht einen Regelbetrieb erst ab September vor. Wir sind davon überzeugt, dass auch in der Kinderbetreuung der Grundsatz gelten sollte: Wo eine Leistung nicht erbracht werden kann, ist auch keine Gebühr zu bezahlen. Das sollte unserer Meinung nach auch in der Elternbeitragssatzung so festgehalten werden, so dass zukünftig in allen Fällen, in denen eine vereinbarte Betreuungsleistung über einen längeren Zeitraum (z.B. mehr als 2 Wochen) nicht erbracht werden kann, auch kein Elternbeitrag zu bezahlen ist. Der Tagesordnungspunkt 6.2 (9/2343) beschäftigt sich mit einer Änderung der Elternbeitragssatzung. Diese Änderung unterstützen wir. Gleichzeitig wäre das eine Gelegenheit, gleich einen entsprechenden Passus mit aufzunehmen und so zu zeigen, dass Sie ernsthaft an einer familienfreundlichen Politik interessiert sind.

Darüber hinaus muss bereits jetzt für den Bereich der Sommerferien unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien eine Analyse des Betreuungsbedarfs stattfinden. Es muss davon ausgegangen werden, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Eltern im Sommer keinen weiteren Urlaub nehmen kann, im Fall dass die Betreuungseinrichtung Betriebsferien machen. Deshalb muss für jede mögliche Stufe der Einrichtungsöffnung (Notbetreuung, erweiterte Notbetreuung, eingeschränkter Regelbetrieb, vollständiger Regelbetrieb) eine Regelung zu den Schließtagen vereinbart bzw. die nach § 22a SGB VIII vorgeschriebenen „anderweitige Betreuungsmöglichkeit“ sichergestellt werden.

Des Weiteren möchten wir Sie bitten, die Landesregierung auf die besondere Situation der Waldkindergärten aufmerksam zu machen. Die zwei Waldkindergärten in Dormagen sind nicht an Gebäude gebunden und können mit entsprechenden Konzepten unter anderen Bedingungen arbeiten als die klassischen Kindertagesstätten. Es wäre deshalb unserer Meinung nach zu prüfen, ob die Waldkindergärten unter bestimmten Bedingungen vorzeitig zu einem (eingeschränkten) Regelbetrieb zurückkehren können.

Von den Kindertageseinrichtungen und Kinderpflegestellen wünschen wir uns, dass diese regelmäßig Kontakt zu den Familien und Kindern aufnehmen, Materialien und Hilfen anbieten und die so wichtige Beziehungsarbeit nicht aufgeben. Seien Sie kreativ! Schöpfen Sie Ihre Möglichkeiten aus!

Von den Trägern der Kinderbetreuungseinrichtungen und der Verwaltung erwarten wir, dass diese die Einrichtungen dazu animieren und sie dabei unterstützen und fachliche, logistische, technische und datenschutzrechtliche Probleme beseitigen. Seien Sie aktiv! Finden Sie Lösungen!

Darüber hinaus erhoffen wir uns, dass jeder dazu beiträgt, diese Pandemie möglichst schnell in den Griff zu bekommen. Nur so ist es möglich, dass unsere Kinder bald wieder in ihre Betreuungseinrichtungen zurückkehren können, dass sie die ihnen zustehend frühkindliche Bildung, ihre besondere Förderungen und Therapien erhalten und vor allem, dass sie wieder mit ihren Spielkameraden spielen dürfen. Kinder brauchen Kinder! Das dürfen wir ihnen nicht länger als unbedingt notwendig verwehren.

Dormagen, den 11.05.2020

i.A. Sascha Weick
(Vorsitzender Jugendamtselternbeirat der Stadt Dormagen)

3 Gedanken zu „Stellungnahme des Jugendamtselternbeirates der Stadt Dormagen

  1. Ich hätte es nicht besser formulieren können. Aber auch von dem Kindergarten [Name wurde von uns entfernt, JAEB] wird man einfach im Stich gelassen. Und wenn man dann Kritik ausübt wird man hinterrücks übelst beschimpft, ob man sich nicht selber was im Netz raus suchen könnte um die Kinder zu beschäftigen. Das einzige was per E-Mail immer pünktlich kommt sind die Pandemie Infos und das man das Essensgeld einziehen möchte, ohne jegliche Verpflegung. Ich bin als arbeitende Mama wirklich enttäuscht. Wir versuchen zu Hause alles möglich zu machen, um das Kind nicht in den Kindergarten zu schicken und dann ist es zu viel verlangt das man mal ein paar schöne Sachen rüber mailt. Nein, da kommt, wenn dann nur etwas rüber, wenn man sich mal wieder beschwert, das ja nichts kommt. Traurige Situation, wenn man sieht wieviel die Lehrer gerade leisten müssen.

  2. Hallo Sascha, vielen Dank für die umfangreichen und gut geschriebenen Informationen, leider sind deine Informationen unser einziger Zugang. Von unserem Kindergarten kommt nichts, aber leider gar nichts. Kein Update, keine Planung, keinerlei Kontakt. Nur ein Newsletter vom Erzbistum der mit kurzer Notiz weitergeleitetet wird. Wirklich traurig und solchen Frauen muss ich dann demnächst wieder mein Kind anvertrauen… Ein schlechtes Gefühl das bleiben wird.
    Viele Grüße
    Jessica Schotten

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